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Texts

Texte über mich
Richard Jurtitsch
Die Metapher benötigt eine lange Zeit

„Wenn wir die zeitgenössische Situation anschauen, dann müssen wir doch ehrlich Bilanz ziehen und fragen, wo wir stehen. Ist nicht alles Neo-Neo, was gemacht wird? Nehmen wir z.B. einmal die 80er Jahre, also weg von der Konzeptkunst hin zum Neoexpressionismus, dann Neogeo, dann Neopop, jetzt sind wir beim Neodada und Neokonzeptkunst. Wir können doch nicht immer auf unserem geliebten, verdammten, vor allem aber heute ausgelaugten 20. Jahrhundert herumreiten. Es geht ja auch zu Ende, warum sollte man nicht einen weiteren Blick über mehrere Jahrhunderte werfen? Ich meine, dass die Moderne um 1500 anfängt. Und da gibt es die tiefsten Zweifler und Dissidenten, die ganze Welten in Frage stellten und liquidierten.“

– Eduard Beaucamp in „Texte zur Kunst“, 1992

 

Richard Jurtitsch ist zwar kein Zweifler und Dissident. Er stellt zwar die Welt nicht in Frage, aber er stellt Fragen an die Gegenwart, indem er der Vergangenheit Fragen stellt. Und diese Fragen enden nicht bei 1500 n. Chr.

Jurtitsch hat keinerlei Berührungsängste, in seinen Bildern ikonographische Kürzel, Themen, Symbolfragmente einfließen zu lassen. Seine Bilder wirken wie Decollagen gesammelten Kulturguts. Sie lassen zwar Einblicke zu, verwehren aber Durchblicke. Neben sinngebenden Metaphern steht scheinbar unzusammenhängend Vordergründiges. Alles ist möglich – nichts ist klar.

Das Vielschichtige ist die Botschaft. Ihre Ästhetik lässt dem Betrachter nur Ahnungen von möglichen Geschichten. Selbst Texte vermitteln mehr Verwirrung als Klarheit.
Schauen ist Voraussetzung – Mitdenken eine Notwendigkeit. So vielschichtig die Bildinhalte sind, so eindeutig ist der malerische Duktus von Richard Jurtitsch. Er verbindet die sich scheinbar oft widersprechenden Metaphern zur gesamtkunstwerklichen Einheit.
Und war noch vor wenigen Jahren die Ikonographie in Jurtitsch’ Bildern vorherrschend, so ist jetzt sein malerischer Wille bestimmend. Dadurch verlieren seine langsam gemalten Bilder zwar ihre kürzelhafte Vordergründigkeit, gewinnen aber an konzentrierter Ausdruckskraft. Und das ist gut so.

– Manfred M. Lang

Metaphern für die Zukunft

„In Zeiten der Krise, der Orientierungslosigkeit, des Umbruchs sind Legenden und Heldenepen gefragt. Sie ziehen Linien vom Heute zurück ins Gestern und versuchen, durch magische Beschwörung die Vergangenheit der Zukunft dienstbar zu machen.“

Dieses Statement von Paolo Bianchi leitet einen Essay über die derzeitige Situation der Kunst ein. Während sich zahlreiche Künstler dieser postmodernen Orientierungslosigkeit dadurch hingeben, dass sie Kürzel / Artefakte aus unserer kulturhistorischen Vergangenheit ziemlich sorglos – weil nur aufs Formale reduziert – in ihre Bildsprache einbringen, ist das mythologische Forschen und Suchen von Richard Jurtitsch thematisiert. Er spürt Archetypen auf, um sie für neue subjektive Visionen von Heute / Morgen zu vernetzen.

Bis Anfang 1992 schichtete Jurtitsch in seinen Bildern verschiedene Symbolfragmente übereinander. Er entwickelte eine spezifische Ästhetik des Durchblicks auf Symbolfragmente, die dem Betrachter freien Spielraum für verschiedene Möglichkeiten zu assoziativen Ahnungen und Vorstellungen ließ. In den neuen Arbeiten reduziert Jurtitsch diese seine Symbolvielfalt – sowohl im Narrativen als auch im Formalen. die Ikonographie seiner Bilder wird jetzt vorwiegend vom Kreis und der Spirale beherrscht. Dabei beschränkt sich das malerische seiner Bilder auf den Hintergrund; das Symbol selbst steht klar und als unfragmentarisches Ganzes im Vordergrund. Solcherart werden Kreis und Spirale zu klar definierten, kultursymbolischen Metaphern. Die Spirale dient Jurtitsch als ein zeitloses Symbol für das Auseinanderstreben und doch Verbundensein – als Anbot einer Vernetzung, die dem Betrachter die Möglichkeit innerer Stabilisierung gibt.

Kreis und Spirale werden so zu Zeichen des sich immer Wiederholenden und Wiederholbaren, anwendbar im Guten wie im Schlechten. Als implizierte Hoffnung auf einen positiven Werte-Wandel, aber auch als Warnung vor einer Überbewertung von geistigem und materiellem Überfluß.

Das von ihm aus der chinesischen Mythologie geliehene und in seiner Sinnhaftigkeit abgewandelte und des öfteren verwendete Symbol des Uroboros – des sich in den Schwanz beißenden Himmeldrachens – manifestiert der geschlossenen Kreis, der aus sich heraus – der Drache beißt sich in seinen eigenen Schwanz – kein Auseinanderstreben duldet. Mit diesem Symbol, des zugleich Geborgenheit und Unheil beinhaltet, schließt sich für Jurtitsch auch der Kreis zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Diese neue und reduzierte Verwendung eines mythologischen Zeichens hat also bei Jurtitsch durchaus noch immer eine narrative Struktur, nur ist sie formal klarer und auch bestimmter formuliert – eine ausweichende, freie Interpretation ist kaum mehr möglich. Und dies liegt auch durchaus in der Absicht des Künstlers. In diesem Sinne läßt sich auf Jurtitsch auch ein anderer

Satz von Paolo Bianchi durchaus anwenden:
„Die neuen Weltkünstler und Jetzt-Archäologen werden eine transmediale Spurensuche im Global Village von heute entwickeln, indem sie als Jetzt-Forscher und -Erfinder unsere Zeit und Zivilisation ruhelos wie Nomaden durchwandern. Dabei stochern sie in Erinnerungen und heben Schätze vom Grund des Vergessens. Mit Blick zurück stürzen sie vorwärts. Das meint keine nostalgische Rückwärts-Gewandtheit, sondern im Gegenteil eine vorausblickende Rücksicht-Nahme auf Bestehendes, Vergangenes und Künftiges.“

– Manfred M. Lang

Die Faszination des ewig Alltäglichen

Wer die älteren Arbeiten von Richard Jurtitsch kennt, und sich im Laufe der Jahre an die explosionsartige Vielfalt seiner Formen und Farben gewöhnt hat, der wird den neueren Arbeiten des Jahres 1993 vielleicht mit einer gewissen Skepsis, auf jeden Fall jedoch mit großer Verblüffung gegenüberstehen. Statt dem Vertrauten, ausufernden Konglomerat vegetativer – floraler Elemente, verwirrender Schriftzüge, moluskenartiger Farbkleckse und schemenartiger Figuren erblickt man nun eine strenge, meist zentrale Komposition, deren wichtigstes Element eine spiralartige Kreisform bildet. Diese Geschlossenheit der zentralen Komposition und Reduzierung auf eine Kernaussage ist das Ergebnis eines bewussten Gestaltungsversuches. Gegenüber den offenen Strukturen früherer Jahre und der springflutähnlichen Fülle an Assoziationsmöglichkeiten, einem Überangebot vergleichbar, erhält der Betrachter nunmehr die Möglichkeit der Konzentration auf eine klare Bildidee.

Während es in der Bildaussage also zu einer Radikalisierung kam, hat sich im mehrschichtigen Arbeitsprozess, der die Bildentstehung prägt, wenig verändert. Noch immer versteht Jurtitsch die unteren Schichten als Spielfeld, als eine Möglichkeit, Formen spielerisch und frei zu entwickeln. Abstraktionselemente gestischer, lyrischer, aber auch figurativer Art werden zugelassen in dieser Phase der „Entdeckungen“. Nun geschehen bewusste Eingriffe, die sich in Aussparungen, Übermalungen, Hervorhebungen und Umspielungen äußern. Flächendeckende Ornamentik, einem Teppich gleich, bildet die Grundlage zu scherenschnittartigen, linearen Bildelementen. Bei gleichzeitigen spannungsreichen Bildaufbau durch kontrastierenden Farben und Formen sind die großformatigen, zumeist zweiteiligen Arbeiten durch ein starkes Streben nach Harmonie und Ausgeglichenheit geprägt. Die Reduktion zugunsten einer Kernaussage zieht eine klare, sich erweiternde Vertiefung nach sich und steht der Redundanz unüberschaubarer, wilder, freier Assoziationsfetzen früherer Arbeiten konträr gegenüber.

Jurtitsch schafft Klarheit. Er reduziert, trennt, kombiniert. Eigentlich verwirklicht er in seinen Arbeiten das Prinzip der Collage. So hinterfragt und sprengt er festgelegte Normen, wenn er traditionelle Symbole und überlieferte Zeichen benutzt, um diese durch experimentelles Kombinieren und Einbinden in einen neuen Zusammenhang zu stellen. Das einzelne, von Jurtitsch ausgewählte und benutzte, symbolartige gilt als Element der Verknüpfung und als Ausdruck seiner Zeitlichkeit. Fundstücke, manifestierte Fragmente menschlicher Tätigkeiten sind authentische Zeitzeugen vergangener Tage. In ihrer Originalität faszinieren sie durch ihre Aura des Unbenennbaren, sie bilden eine unaussprechliche Verbindung zu Vergangenem. Jurtitsch benutzt und zitiert hierbei sowohl architektonische Formen (Grundrisse, Ansichten von römischen Villen), dekorative Ornamente( Mosaikfußböden, spätantike Wandmalerei, Textilien), als auch tradierte Bräuche (Der Lindhorster Tanz, Sprichwörter).

In seinen Collagen wird die unbedingte Achtung und die Distanz vor dem originalen Fundstück überaus deutlich. Der Künstler nimmt hierbei einen Stahlstich des 19. Jahrhunderts als Grundlage zur späteren Überarbeitung. Dieses Kunstwerk eines anderen Künstlers einer anderen Zeit, ein historisches Fragment also, wird mit einer transparenten Reprofolie bedeckt. Nun erst erfolgt auf dieser Folie der künstlerische, behutsame Eingriff. Während das Original unangetastet bestehen bleibt, wird durch Hervorhebungen und Verfremdungen dennoch die ursprüngliche Bildaussage verändert.

Immer wieder begegnen uns in den neueren Arbeiten von Richard Jurtitsch spiralartige Formen in unterschiedlicher Ausprägung. Die Form des Sonnenrades, des laufenden Hundes, des Drachen, der sich in den eigenen Schwanz beißt; all diese Formen symbolisieren Kreisläufe, funktionierende, in sich geschlossene Systeme. Sie dienen auch als Sinnbild für das unaufhörliche Fließen von Zeit und Raum, und entsprechen einander, wie Lama Govinda einst schrieb, dem Innen und Außen derselben Sache; Raum ist die nach außen verlegte, nach außen projizierte, objektivierte Zeit; und Zeit ist der verinnerlichte, subjektive Raum. Der zeitliche Ablauf von zumeist nennenswerten Ereignissen in einem als Ort benannten, bestimmten Raum und deren chronologische Aufzeichnung wird als Geschichte bezeichnet. Das nicht Nennenswerte hingegen geschieht einfach. Richard Jurtitsch dokumentiert in seinen gemalten Fundstücken die historische Faszination des ewig Alltäglichen, thematisiert die Wiederkehr des endlichen Menschen im unendlichen Kreislauf von Zeit und Raum und bietet dem Betrachter die Möglichkeit, das Wesen und die Grenzen geschichtlichen Erkennens und der eigenen Stellung hierin zu reflektieren.

– Harald Krämer

Die Malerei als ikonographische Assemblage: Kultur – Dekor – Natur

Richard Jurtitschs aktuelle Bildfindungen zeugen von einer collageartigen Verschleifung unterschiedlicher Bildikonographien, die dem Betrachter in ihrer kodierten Präsenz ein neues und weites Assoziationsfeld eröffnen.

Eine reflektierend – zitierende Haltung gegenüber der Kulturgeschichte macht sich in den Bildern bemerkbar, wenn der Maler meist kunstgewerbliche Objekte chiffrenhaft auf die Bildoberfläche bannt. Das Repertoire reicht von antiken Säulenkapitellen und Sarkophagen über Kandelaber im Stil der Renaissance, bis zu Barockstühlen. Trotz ihrer scheinbaren beliebigen Auswahl stammen alle aus einem Kulturkreis, sind Dokumente unserer europäischen Kulturtradition. Auf eine Vielzahl der Bilder sind ringartige zweidimensionale Gebilde zu sehen, deren Inneres durch Menschen – und Tierfiguren und florale Motive strukturiert ist.
Jurtitsch greift auf Schnittmuster der Wiener Biedermeierzeit zurück und bindet sie, gleich einer Spur aus der eigenen Kulturgeschichte, in das Bildgeschehen ein. Die Kreisform symbolisiert Tradition und verdeutlicht Jurtitschs reflektierende Haltung gegenüber der Geschichte, dem Alten, dem Vergangenen.

Sein künstlerisches Bestreben ist ein dezidiert Antimodernistisches. Antimodernistisch in jenem Sinne, da er nicht mit dem Alten bricht, das Konventionelle mit Tradition angereicherte nicht über Bord wirft, wie zum Beispiel Marcel Duchamp, der mit der Erfindung des Ready Mades die Malerei für tot erklärte. Eher vergleichbar ist Jurtitschs geistige Einstellung mit der der Maler der Transavanguardia. In ihrer postmodernen Haltung bauten Mimmo Paladino, Francesco Clemente oder Sandro Chia in zitierender Manier Chiffren aus der römisch christlichen Kultur in das Bildgeschehen ein, wodurch eine neue verschlüsselte, mit Metaphern angereicherte Malereisprache entstand. Trotz der inhaltlichen Ausrichtung auf Geschichte, mutieren Jurtitschs Gebilde ebenfalls zu abstrahierten Codes, da sie aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst und mit malerischen Strukturen und anderen Bildmotiven neu verflochten werden. Der archäologische Fund, das kunstgewerbliche Objekt steht dagegen für sich selbst und ist Dokument seiner Zeit.

In formaler Hinsicht verhalten sich die meisten Motive, wie die früher oft auftretenden Scherenschnittmuster, flächig gegenüber dem malerisch ausformulierten Grund, der eine atmosphärische Tiefenwirkung suggeriert. War die Konstitution des Bildgrundes in früheren Werken matt und stärker flächig ausgelegt, so überzeugen die aktuellen Arbeiten in ihrem transparenten Glanz. Räume erschließen sich dem Betrachter in unterschiedlicher Weise:So leiten sie zum Beispiel den Blick in die Tiefe, bilden einen perspektivisch undeterminierbaren Raum. Oft atmen und pulsieren sie in die Betrachtersphäre und nehmen vom Realraum Besitz.
Bei „Ort der freien Geister II“ aus dem Jahre 1999 ist die räumliche Struktur komplex angelegt. Die oberste Bildschicht wird durch ein sarkophagähnliches Gebilde mit figurativem Beiwerk und mikrokosmischen Organismen gebildet. Aufgrund seiner verkürzten Darstellung verhält sich die kubushafte Form gegenüber den graphischen Linien des Gewebes räumlich. Den gemalten Bildgrund füllen ineinander verwobene Blumenblüten aus. Die glatte „eingewachst“ erscheinende Faktur wirkt wie eine verschmierte oder beschlagene Glasscheibe, durch die man blicken und das Dahinter in seiner räumlichen Beschaffenheit wahrnehmen kann. Oder man denke an die milchfarbige Eisschicht, die das Darunter vom Darüber hermetisch abdeckt. Anstelle des optischen Hineins, etwa bei einem klassischen Landschaftsbild, in das der Betrachter gleichsam visuell einsteigt, wird „Ort der freien Geister II“ durch das dahinter charakterisiert.

Postmodern verhält sich neben den kunstgewerblichen Versatzstücken, die gleichsam die Kulturgeschichte zitieren, das Ornament in Jurtitschs Bildgestaltungen. Wie bei einem Tapetenmuster werden in dem besprochenen Bild „Ort der freien Geister II“ die an Margeriten erinnernden Blumen über die gesamte Bildfläche verteilt. Oder Scherenschnittmuster bedecken in anderen Arbeiten den malerischen Bildgrund. In der abstrakten Avantgardemalerei eines Malewitsch, Rodtschenko oder Mondrian, oder in der funktionalistischen Architektursprache eines Adolf Loos wurde die Ornamentik als Ballast angesehen, die den direkten Zugang zur puren Form des Kunstwerkes verdeckte. Sie galt als ästhetische Hülle, als Verpackung des Substantiellen, war oberflächlich und wurde im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlich wahrgenommen. Erst ab der Postmoderne, also in den frühen 80er Jahren, distanziert von den avantgardistischen Dogmen der Reinheit, des Formalismus und der Abstraktion, die besonders von den amerikanischen Strömungen des Abstrakten Expressionismus und der Minimal Art begleitet wurden, konnte ein selbstverständlicher Umgang mit der Ornamentik wieder einsetzen. Bilder von Philip Taaffe oder Christopher Wool zeugen von diesem Verständnis.

Als weiteres ikonographisches Programm in Jurtitschs Bildfindungen ist das Natürliche in einer mehr wissenschaftlich als romantischen Dimension zu konstatieren. Die Leinwand fungiert als eine Art Mikroskop, in der wir Formen erkennen, die uns an Einzeller, Schimmelpilze, Amöben oder Chromosomen erinnern. Diese Motive werden meist mit Floralen oder musterartigen Motiven in Relation gebracht, wodurch eine irreale Natürlichkeit hervorgerufen wird. Ähnlich den kunstgewerblichen Gegenständen, mutieren sie, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen, zu Chiffren mit einer neuen und künstlichen Bedeutung.

Bezugnehmend auf die österreichische Kunstgeschichte des 2o. Jahrhunderts nimmt Richard Jurtitsch eine durchaus untypische Position ein. Expressionistisch ist das Charakteristikum schlechthin, das sich wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte zieht. Eingeleitet von den Malern des Frühexpressionismus, wie zum Beispiel Richard Gerstl, Oskar Kokoschka oder Egon Schiele, weitergetragen von Arnulf Rainer, der abstrakt – expressionistisch orientierten Gruppe um Monsignore Otto Mauer und den Protagonisten des Wiener Aktionismus bis zu den Neuen Wilden in den 80er Jahren. Hier findet das „expressionistische österreichische Kunstwollen“ ihre Ausläufer und ihr einstweiliges Ende.

Jurtitschs Gestalten in der Malerei findet seine Verwandtschaft in anderen Gefilden. Der Österreicher fühlt sich der künstlerischen Haltung eines Ross Bleckner oder Philip Taaffe verwandt, die in einer unbekümmerten Weise Ornamentik thematisieren, oder das verpönte Darstellungsmotiv der Blumen in das Bild aufnehmen und somit unweigerlich mit dem Kitsch in einer vitalen Weise kokettieren.

– Mag. Florian Steininger

Vom Sinn der Titel

Eigentlich benennt ein moderner Künstler seine Werke nicht mehr. Er schreibt O.T.; eine Œuvre Nummer, ein Datum, bestenfalls noch die Technik. Das ist es dann auch schon. Es gibt auch solche, die die Literatur bemühen, um ihren Bildern das geschriebene Wort hinzuzufügen, als Ergänzung und Erweiterung. Doppelbegabungen sind nicht selten in Österreichs Kunstgeschichte. Und es gibt jene Künstler, denen ein Titel wie ein Punkt ist, ohne den das Gesamtwerk nicht vollendet ist. Richard Jurtitsch gibt seinen Bildern kurze, aber sehr poetische und meistens auch ganz bildbezogene Titel. „Die verborgenen Fakten“ etwa oder „Wo das Blau herkommt“, „Über und unter den Feldern“, „Unendliche Wiederkehrungen“. Auch wenn sie kurz sind und prägnant, es sind Titel, die zum Bild gehören ohne wenn und aber, die tatsächlich so etwas wie eine Erklärung sein können, ein Anspruch an den Betrachter sich auf die Suche zu machen, sich zu vertiefen in die Zeichen und Wege, die einem der Maler weist.

Jurtitschs Bilder sind vielschichtig. Nicht nur vom Farbauftrag her, sondern von der Thematik. Seine Zeichen sind uralt, sie kommen aus Kulturen, die längst versunken sind,die nur noch in den Resten überleben, die wir ihnen aus der Geschichte lassen. Es sind Runen und Kultgegenstände, Tierumrisse, wie aus den Höhlen von Altamira und Lascaux, es sind Architekturen und Gestalten der Phantasie, es ist eine Welt der Erinnerung an vergangene Welten, die in seinen Bildern wieder lebendig wird. Geheimnisvoll und voller Poesie, voll Lust am Geschichtenerzählen und voller Rätsel, die es zu lösen gilt, oder die man fasziniert und dankbar für ein Erlebnis aus einer anderen Welt einfach stehen lässt als einen schönen Traum voll Kindheit und Unschuld.

Richard Jurtitsch baut seine Bilder sehr konzentriert auf. „Spielschichten“ nennt Harald Krämer die unteren Schichten, auf denen er dann seine Fundstücke, seine Ornamente und Metaphern setzt. Es ist ein ernstes, aber dennoch heiteres „Spiel“, das der Maler spielt, eines, das uns einbindet in den Kreislauf des Lebens, das uns aber auch die Kraft und die Klarheit der Gedanken erfahren lässt. Neben all den verschiedenen Gegenständen aus der Geschichte und der Phantasie ist es vor allem der Kreis, der in den Arbeiten von Richard Jurtitsch von wesentlicher und immer wiederkehrender Bedeutung ist. Er setzt ihn auf die Bildfläche, erinnert damit an den Kreislauf des Lebens, aber auch im Sonnenrad etwa, daran, dass wir eingebunden sind in das ewige und sich bedingende Leben und Sterben. Der Kreis als Form, aber auch als Inhalt, und wenn er den Drachen sich zum Kreis schließen oder den Hund sich drehen und winden lässt, um sich selbst in den Schwanz zu beißen, es ist neben allem Humor und aller Heiterkeit doch ein Ernster und tief empfundener Unterton, ein Wissen um das Unbenennbare des Lebens, das auch in der Kunst nur angedeutet, nie aber in aller Tiefe erfasst werden kann.

Zu diesen Gedanken passt auch die starke Reduzierung der Arbeiten und die spürbare Sehnsucht nach Harmonie und Schönheit. Und bei aller Abstraktion ist es gegenständliche Malerei in ihrer reinsten und dichtesten Form. Wenn auch die Bilder flächig sind und die Zeichen und Symbole über das ganze Bild verstreut, so erfährt man doch eine ganz eigentümliche Art von Raumgefühl, als würde man zwar nicht in die perspektivische Tiefe, sehr wohl aber in die Tiefe der Geschichte gezogen, die der Maler erzählt. Der Betrachter kann wählen zwischen dem Angebot des Künstlers und seiner eigenen Assoziation und Phantasie. Es ist eine Bilderwelt voll mit Anspielungen und Symbolen aus allen möglichen Traditionen und Zeiten, aus Mythen und Märchen, aus Welten der Lust und der Angst. Aber zutiefst ist es die Suche nach den eigenen Wurzeln und dem eigenen Standort im Kreislauf des Lebens, und so verbindet Jurtitsch die Vergangenheit mit der Gegenwart und stellt die Frage „Wohin geht der Weg?“Auf diesem Weg aber befindet er sich bereits und wir Betrachter mit ihm. Wir folgen seinen schlichten beinahe naiven, aber doch sehr überlegten Zeichen und vertrauen darauf, das die Wege, die er uns weist, voll künstlerischem Gewinn und menschlicher Erkenntnis sind. Die Titel der Bilder mögen die Wegweiser sein, die oft erst den Sinn erschließen und der Schlüssel zum Ziel sind.

– Angelika Bäumer

Malerei als Modell individueller Seherfahrung und Deutung

Die Kalender, die IBM in repräsentativer Aufmachung seit Jahren regelmäßig herausgibt, gelten österreichischen Künstlern, die meist der jüngeren oder mittleren Generation angehören, Viele dieser, einem breiten Publikum noch wenig bekannten Maler, Zeichner, Graphiker oder Plastiker sind ausgesprochene Einzelgänger, ihrem Stil, ihrer künstlerischen Ausdrucksweise nach Individualisten und ohne Bindung an Gruppen oder programmatische Galerien.
Was IBM mit der Herausgabe der Kalender beweist, ist das Faktum einer pluralistischen künstlerischen Situation in unserem Land, die neben ihren Stars und Altmeistern, neben Avantgardisten und Traditionalisten auch ein breites, hochinteressantes Mittelfeld künstlerischer Begabungen kennt.

Für dieses im Verhältnis zur Ausdehnung und Einwohneranzahl Österreichs fast übergroßes Potential fehlt es allerdings oft an entsprechenden Auffangbecken, an engagierten privaten Sammlern und Galerien, an Museen und vergleichbaren öffentlichen Einrichtungen, die als selektive Multiplikatoren dazu beitragen könnten, das Selbstverständnis für die Kunst unserer Zeit entscheidend zu vergrößern und vor allem dort ein Mehr an Verständnis und Mitgehbereitschaft zu erreichen, wo die Dinge noch in Fluss sind und daher in besonderer Weise Interesse am Experiment und grundlegende Offenheit erfordern.

Visuelle Anstöße, sich dem Abenteuer Kunst zu stellen und kontinuierlich die eigenen Sehgewohnheiten und damit auch Bewusstsein und persönlichen Kunstbegriff zu erweitern, vermitteln die inzwischen auch als Sammelobjekte begehrten Kunstkalender von IBM. Die jüngste, für 1995 vorbereitete Edition gilt dem in Wien lebenden Maler Richard Jurtitsch. Die Gemälde von Richard Jurtitsch sind in mehrfacher Hinsicht komplex, ihrem Konzept und ihrer Struktur nach vielschichtig und durch jene leise, erzählende Mehrdeutigkeit gekennzeichnet, die die Befassung mit ihnen immer wieder als anregend und aufschlussreich erweist. Die von den Werken ausgehende Ambivalenz von Sinnlichkeit und Intellektualität basiert auf geschultem bildnerischen Umsetzungsvermögen und einer Gelassenheit, an der die Postmoderne nicht ohne Spuren vorüberging.

Die Ölgemälde von Richard Jurtitsch entspringen dem Aufwind der jungen Malerei der achtziger Jahre und ihren überwiegend neoexpressionistischen Tendenzen. sie nehmen heute eine sehr persönliche, einzelgängerische Position ein, die die Malerei als Vorgang und das Bild als solches in den Mittelpunkt künstlerischer Auseinandersetzung und Erfahrung stellt. Bei aller Differenziertheit von Bildstruktur, Textur und der ausbalancierten Verwendung serieller Emblematik geht es Richard Jurtitsch um formale Harmonie, die deutlich macht, dass selbst ein Höchstmaß an bildimmanenter Übereinstimmung kleinere Abweichungen von der Regel als anregenden disharmonischen Störfaktor benötigt.

Der 1953 in Wien geborene, 1987, zu Beginn seiner Karriere, gleich mit zwei Preisen Ausgezeichnete, ist ein Poet der Malerei – ein verhaltener, sensibler Künstler der Zitat und Ironie liebt und mit jener oftmals seriell angewandten Symbolik verbindet, die zu den hervorstechenden Eigenheiten der in höchst unterschiedlichen Formaten gehaltenen Ölbildern zählt.

Sechs dieser 1992 beziehungsweise 1994 entstandenen Arbeiten wurden für den vorliegenden Kalender ausgewählt: es sind Gemälde, die bei aller Vielfalt ihrer bildnerischen, oftmals von collageähnlichen Elementen durchsetzten Struktur und Ikonographie jene Geschlossenheit und Logik widerspiegeln, die dem Betrachter die Chance zu der oben erwähnten differenzierten Anteilnahme gibt, dank der die Beschäftigung mit Kunst zu einer universellen und in einem höheren Maß auch vergnüglichen Konfrontation wird.

– Peter Baum

Zu den Gemälden aus den Jahren 1995–1997

Für die Betrachter wirkt der komplexe Arbeitsvorgang, den Richard Jurtitsch seit den achtziger Jahren immer mehr verfeinert hat, vorerst fast zufällig und wie von selbst gewachsen. Die Gegenstände erscheinen frei kombiniert, historisches Kulturgut aus verschiedenen Zeiten und Orten ist in heutiger Sicht ganzheitlich verflochten. Damit lassen sich Verbindungen zur Technik der Psychoanalyse Sigmund Freuds und zur assoziativen Schreibweise im „Ulysses“ des James Joyce aufzeigen: Mit dem Schürfen der Archäologen im Erdreich verglich Freud den Vorgang seines Vordringens durch die Tiefenschichten des menschlichen Bewußtseins; die Maler im 20. Jahrhundert, das gerne jenes der Psychoanalyse genannt wird, folgen vor allem verstärkt nach 1945 seinen wissenschaftlichen Endeckungen in malerischer Parallelaktion, den Aneinanderreihungen von in unserem Wachbewußtsein auftretenden, immer wieder unterbrochenen und neu ansetzenden Gedankenfetzen entsprechend, schrieb Joyce in seinen berühmten Roman – auch diese literarische Methode ist im Resultat dem vergleichbar, was die Bedeutung des Werkprozesses in Richard Jurtitschs Bildern ausmacht.

Am Beginn steht eine Frottage von Holz – oder Sisalmattenoberfläche – jedoch getrennt von der Leinwand auf Papieren. Diese Textur wird im Computer vergrößert, und mit einer Auswahl der vielen Fundstücke aus Metall – oft Beschläge oder Reste von Ziergegenständen, die der Künstler allerorts aus der Erde holt, aber auch Naturalia wie Samenkapseln, Zapfen oder vergrößerte Fruchtstände, die die entfernt an die photographischen Studien Blossfeldts erinnern, kombiniert. Dieses Zwischenergebnis wird vom Computerausdruck frei und wieder in Vergrößerung auf die Leinwand übertragen. Ornamente von afrikanischen Stoffen, Sgrafithäusern, Konstruktionszeichnungen zu Säulenordnungen sowie Grundrisse versunkener Häuser legen sich darüber, einmal taucht sogar im Schwemmgut eine Kitschmadonna auf (eine der banal wie seltsamen Plastikbehälter für heilige Wasser).

Im Übereinanderlagern nimmt sich Jurtitsch jene Freiheit zur Veränderung, die der kompositorischen Klarheit dient; hier entsteht ein reizvoller Gegensatz: während Aufdecken, Kratzen, Freilegen, Glätten und wieder pastos übermalen eine harmonische Verschmelzung der Collage aus abstrakten, geometrischen und gegenständlichen Elementen erzielt, ergibt die inhaltliche Kombination eine Verrätselung und neue Mythisierung scheinbar zweckloser Güter, die nur durch die Fantasie des Malers eine Wiederbelebung und Identitätsgebung erfahren.
Diesen nun schon zahlreichen Schichtungen werden in den letzten Werken verstärkt Figuren in verschiedenen Höhen beigegeben; sie stammen aus der Archäologie oder aus der Silhouettenkunst (den Scherenschnitten) des 18. Jahrhunderts zu verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen, und werden mehrfach verfremdet; vereinzelt und aus ihrem noch barocken oder griechischen bzw. skythischen Zusammenhang gerissen, verzerrt der Computer die Tiere, Jäger, Tänzer, Schlittenfahrer etc. in eine anamorphotische Ansicht.

Die Perspektive ist gestört, und die durch langsames Aufreissen von Spiral und Kreisformen strenge Geometrie, durch asymmetrische Einschübe aufgelöst. Zwar tauchen die für die letzten Jahre so typischen Uroboros – und Spiralelemente als bildlich gewordene Zeitfaktoren noch auf, sie wandeln sich aber auch zu Schnecken, Schleifen, Friesen und sogar Streifen. Es kommt oft vor, dass die kleinen Figuren auch zu eigenständigen Kombinationen dienen – so wird aus einem roten Paar mit Schirm und Geweih mit Leichtigkeit eine neue Diana- und Aktäongruppe. Zur ikonographischen Vernetzung wird der spannungsreiche Bildaufbau offener, die gedrehten Ansichten verunsichern zuweilen das sonst so klare Oben und Unten des Bildes.

Auch die Farbigkeit hat sich verändert, aus starken, oft unvermischtem Rot wurde ein gedämpftes, pastellhaftes Allrosa; Gelb, Violett, helles Grün und Blau treten auf, wo früher dunkle Töne dominierten. Die Betrachter müssen eigenständig aus den bildlichen Fragezeichen lesen für sie ergeben sich nach der vorgegebenen Freilegung gedanklicher Felder viele Möglichkeiten, neue Legenden aus dem Symbolhaften Kürzeln dieser Artefakte einer noch nicht vergessenen Vergangenheit zu ergründen.

Der wissenschaftliche Rahmen und der neue, zeitentsprechende Einsatz von „Ul pictura poesis“ zeigen einmal mehr, das die Malerei nur in den schriftgläubig bilderstürmerischen Theoretikerköpfen tot ist, aber noch lange nicht in der künstlerischen Praxis, wie sie Richard Jurtitsch in exemplarischer Weise vor Augen führt.

– Brigitte Borchhardt – Birbaumer

Über die Malerei

sSD. Herr Jurtitsch, Sie sind Maler und Grafiker, Sie haben sich in Ihrer künstlerischen Ausbildung die unterschiedlichsten bildnerischen Reproduktionstechniken angeeignet. Sie beherrschen sämtliche Flachdrucktechniken und doch bevorzugen Sie weitestgehend eine Malerei mit Öl und Tempera auf Papier und Leinwand. Was bedeutet Malerei für Sie?

RJ. Malerei ist gleich nach der Zeichnung für mich das ureigenste und direkteste Ausdrucksmittel, verschont von den verschiedensten Vorbereitungsarbeiten, wie bei der Lithografie das Steinepräparieren, Abdecken und Ätzen der Platten bei der Radierung, Herstellen von Filmen, Sensibilisieren der Siebe beim Siebdruck usw. Sie ist authentisch und auch Ausdruck einer momentanen Befindlichkeit, also liebe ich sie.

SD: Welchen Stellenwert erlangt das einzelne Bild im fortschreitenden Schaffensprozess?

RJ. Durch die permanente Beschäftigung mit der Malerei, ergeben sich ständig auch neue Wege und Möglichkeiten der Bildfindungen und des Ausdrucks. Wie weit man diese neuen Wege sofort nachgeht, es zulässt, hängt von einem selbst ab. Da ich es sehr oft zulasse, hat das einzelne Bild schon einen großen Stellenwert im fortschreitenden Schaffensprozess. Ich kann sehen, wann und wo sich wieder etwas verändert, weiterentwickelt hat. Bilder sind wie Meilensteine auf einem langen Weg.

SD. Was fasziniert Sie an der Kombinatorik von malerischen und grafischen Bildelementen?

RJ. Grafische Bildelemente in der Malerei sind für mich wie das Salz in der Suppe oder wie Sprache in einem tönenden Wald. Nur mit Farbflächen bekomme ich Töne zum Schwingen, aber mit den grafischen Elementen sprechen sie zu mir. Das ist wahrscheinlich nur eine subjektive Wahrnehmung von mir, aber ich empfinde es so.

SD. Die grafischen Elemente in Ihren Bildern entstammen oft dem großen Reich der Abbildhaftigkeit. Man findet vegetabile Motive aus Flora und Fauna, ebenso wie dekorative Versatzstücke der (historischen) Baukunst und ausschnitthafte Ansichten von Mobiliar und Innenräumen. Welche formalen und inhaltlichen Ziele verfolgen Sie mit der Verbindung von assoziativ-abbildhaften und abstrakt-ungegenständlichen Bildelementen?

RJ. Ich bin ein ewig Suchender, experimentiere mit allen möglichen Strukturen und Farbräumen und versuche ständig das Feld der Assoziationsmöglichkeiten für mich zu erweitern. Mich interessiert an den Motiven aus Flora und Fauna in erster Linie deren Stellenwert als Vorbild in der Kulturgeschichte, in vielfacher Weise herangezogen und verwendet, in der Architektur, Gestaltung von Mobiliar und Alltagsgegenständen und auch als Vorbild von technischen Funktionen und Abläufen. In zweiter Linie interessiert mich deren Bedeutung in formaler Hinsicht. Das domestizierte Abbild von Motiven aus Flora und Fauna, wie z. B. Versatzstücke der historischen Baukunst, die in den Bildern austauschbar sind, weil sie nur als assoziative Platzhalter für verschiedene Epochen fungieren, und Fluchtlinien von Bezugsmöglichkeiten, von der Vergangenheit bis in die Gegenwart, bilden.

SD. Die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Leben zieht sich wie ein roter Faden durch die Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Tendenz der sechziger und siebziger Jahre ging dahin, Autonomie und Selbstreferentialität der Kunst zu betonen. Seit den neunziger Jahren schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung aus. Die Reflexion der Rolle des Künstlers innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges sowie die kritische Kommentierung dieser Gesellschaft und ihrer Rollenverteilungen werden heute wieder verstärkt zu zentralen Themen. Ihre Bildkunst, Herr Jurtitsch, bezeugt mit ihrer inhaltlichen Ausrichtung auf Kultur und Natur, der Verschleifung unterschiedlicher Ikonographien, den abstrahierten und ornamentalen Code von einem Bewusstseinswandel, der die Aufgabe des Bildes zwischen vergangenen und gegenwärtigen Medien, Stilen und Zeichensystemen neu zu bestimmen sucht. Dennoch bleibt Ihre Malerei auf sich selbst bezogen, bleibt sie autonome Kunst. Inwieweit lässt sie sich als eine „Strategie“ im Umgang mit den Fragmenten der Wirklichkeit beschreiben? Fließen in Ihre Malerei auch zeitkritische Inhalte und Gedanken mit ein oder liegt ihr künstlerisches Anliegen in einer überzeitlichen Auseinandersetzung mit ästhetischen Formen und bildnerischen Interpretation?

RJ. Ich sehe das nicht als eine Strategie, den Interessierten immer wieder auf das Neue mit meinen Darstellungs- und Sehweisen zu konfrontieren. Ich arbeite mit ständig sich erweiterndem Arbeits- und Bildvokabular und ziehe immer weitere Kreise, und damit erweitern sich auch die Möglichkeiten der bildnerischen Interpretation. Das hat viel mit Beobachten, Ausprobieren, Experimentieren zu tun. Ich reflektiere gerne Themen und Dinge, die mich inhaltlich oder formal interessieren. Das fließt oft automatisch in die Arbeit mit ein und passiert von selbst. Aber im Prinzip ist meine Arbeit schon von einer, wie sie es nennen „überzeitlichen Auseinandersetzung“ geprägt.

SD. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Künstler zu Beginn des 21. Jahrhunderts?

RJ. Die Rolle eines Künstlers zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat wie alles zwei Seiten. Zum einen waren die Informationen und Kulturangebote niemals größer als jetzt, zum anderen war es nie inflationärer als jetzt. Durch die Ostöffnung erreicht uns eine Flut von Kunst und Kulturangeboten. In einer Zeit wie dieser, wo sich Umweltprobleme und weltpolitische Ereignisse eklatant am Horizont spiegeln, wo sich unsere Gesellschaft immer mehr in arm und reich aufspaltet, der tägliche Kampf ums Überleben, der Kampf um einen Arbeitsplatz über Hand nimmt, wen interessiert da schon Kunst – höchstens Unterhaltungskunst. Und die Menschen, die sich noch für Kunst interessieren und noch Kunst kaufen, obwohl sie schon viel Geld an den Börsen verloren haben, sehen sich einem Überangebot an Künstlern gegenüber. Der Konkurrenzkampf wird noch größer. Also in dieser Hinsicht beneide ich mich nicht.

SD. Zweifeln Sie daran, dass der bildenden Kunst in der heutigen Zeit, da es immer schwieriger wird, den Konsumenten, sei er Betrachter oder Käufer, zu erreichen, ein größerer, Erkenntnis erweiternder Sinn innewohnt?

RJ. Nein, ich zweifle nicht daran, dass der bildenden Kunst in der heutigen Zeit ein größerer, Erkenntnis erweiternder Sinn innewohnt. Es gibt sehr viele, wirklich brillante, ernstzunehmende Künstler, international. Aber ich glaube, es wird durch das Überangebot an Kunst immer schwieriger, Betrachter oder Käufer dazu zu bewegen, sich mit anspruchsvoller Kunst auseinander zu setzen, denn dass bedeutet harte Arbeit und ist sehr unbequem. Das funktioniert fast nur bei persönlichen Kontakten.

SD. Welche Mittel erscheinen Ihnen heute adäquat, ein breites Publikum anzusprechen und für die Kunst zu sensibilisieren?

RJ. Ein breites Publikum ansprechen und gleichzeitig für die Kunst sensibilisieren, das wäre ideal, aber meiner Erfahrung nach sind das leider zwei entgegengesetzte Dinge. Ein breites Publikum ansprechen, das würde vielleicht bedeuten, laut, leicht und schnell. Aber Kunst heißt, wie es Sir Popper einmal formuliert hat:” Man muss warten, bis man von ihr (der Kunst) angesprochen wird”. Das braucht Zeit.

SD. Gibt es Aspekte in Ihrer Arbeit, die Sie als beneidenswert erachten und die Sie nicht gegen eine andere berufliche Tätigkeit eintauschen möchten?

RJ. Es stimmt schon, wie ich vorhin sagte, ich beneide mich in mancher Hinsicht nicht, aber andererseits hat auch dieser Beruf gute und äußerst schöne Seiten. Es gibt da sehr viele Aspekte, die ich als beneidenswert erachte, z. B. kann ich malen, meine Vorstellungen und Hirngespinste umsetzen und wahr werden lassen und kann sogar davon leben. Auch wenn ich mich, nicht der Kunst wegen, sondern deren Begleiterscheinungen wegen, manchmal maßlos ärgere, kann ich mir nicht vorstellen, etwas anderes zu tun.

SD. Herr Jurtitsch, Sie sind im Kunstmarkt verankert, arbeiten mit Galerien auch über die Landesgrenzen hinweg zusammen. Wie wichtig erachten Sie solche Großveranstaltungen wie die Biennale in Venedig oder die Documenta im Hinblick auf eine richtungsweisende Geschmacksbildung und Tendenzierung der Gegenwartskunst?

RJ. Biennalen oder die Documenta sind sicher wichtige Foren für junge Kunst und eine gute Referenz, um auf dem Kunstmarkt unterzukommen, aber auch für sogenannte erprobte Künstler, sich auf die nächsthöhere Etage empor zu hieven, um den eigenen Marktwert zu erhöhen. Man sollte meinen, dass es auf der Documenta frei von allen kommerziellen Hintergedanken hergeht, aber das ist sehr unterschiedlich und hängt sehr vom Kurator / der Kuratorin ab, in welche Richtung er / sie sich profilieren will. In manchen Kreisen von jungen Künstlern und Galeristen wirken sich Biennalen oder die Documenta sicher richtungsweisend, geschmacksbildend oder tendenzierend aus. Es gibt ja erschreckend viele Trittbrettfahrer in der Szene.
Die Branche braucht solche Großveranstaltungen, um die Kunst öffentlich und werbewirksam hochzuhalten und deren Wert in der Gesellschaft immer wieder auf das Neue zu fundamentieren.

SD. Zum Abschluss unseres Gespräches möchte ich Sie, Herr Jurtitsch, fragen, welche Fern- oder Nahziele Sie in ihrer künstlerischen Arbeit verfolgen.

RJ. Nah sowohl auch Fernziel ist es, für gute malerische Qualität zu stehen, und
meinen künstlerischen Qualitätskriterien noch näher zu kommen, die natürlich sehr
individuell sind und sich auch ständig verändern. Wobei sich aber über Qualität doch letztendlich nicht streiten lässt.
Ich mache es mir nicht leicht, und ich denke, es ist der richtige Weg, meinen Ziel näher zu kommen. Ich wünsche mir, dass es mehr Menschen gäbe, die sich mit Kunst intensiver und genauer beschäftigen, als mit der gewohnten Oberflächlichkeit von eye-catcher und Displaykunst.

SD. Gibt es Künstlerkollegen, mit denen Sie gerne einmal ein gemeinsames Projekt realisieren würden?

RJ. Eigentlich nicht. Ich beschäftige mich nicht mit solchen Gedanken. Aber mit Ross Bleckner wäre eine gemeinsame Ausstellung recht interessant. Wir waren einige Zeit entwicklungsmäßig, subjektiv gesehen, doch recht nahe beisammen. Dies zu beobachten war für mich schon sehr interessant.

SD. Haben Sie Träume oder Visionen, Vorstellungen, an welchen Orten oder in welchem Kontext Sie einmal ausstellen möchten?

RJ. Nein, nicht konkret. Natürlich versuche ich an guten Orten auszustellen, wo ich auch mit einem zahlreichen und interessierten Publikum rechnen kann. Ich könnte mir vorstellen, in einem kunsthistorischen, völkerkundlichen, aber vor allem in einem archäologischen Kontext etwas zu machen. Ich lasse mich überraschen.

Zu Gast bei …

Ich bin ein Suchender, so Richard Jurtitsch und beschreibt das für seine Malerei charakteristische Experimentieren mit den formalen Möglichkeiten, wie auch das Beobachten und reflektieren von Themen. Dieses unterzieht er einer stetig weiterentwickelnden bildnerischen Interpretation. Die Themen seiner Malerei halten dabei an dem grundsätzlichen Interesse fest, Fragmente der Wirklichkeit aufzunehmen.

Diese Versatzstücke des Abbildhaften setzt er in den Bildern der frühen 1990er Jahre als graphische Elemente vor einen malerischen Hintergrund. Die Motive stammen aus dem Formenrepertoire der europäischen Kulturgeschichte, archäologische Symbole, wie die Kreisform des Uroboros oder Repräsentationszierrat aus der abendländischer Kultur. Mit der Übernahme von Vasenformen, Kandelaber– und Stuckornamentik spielt Richard Jurtitsch in subversiver Weise, mit der Frage nach Funktion von Dekor und Zierart. Er löst die Ornamente und Dekorgegenstände aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang und erweitert sie durch sein eigenes Formenvokabular. Verfremdet und ihres ehemaligen Kontextes enthoben, übersetzt er das historische Formengut in die Malerei. Das Ornament wird autonom und zum Gegenstand der Untersuchung. Sein Interesse an einer überzeitlichen Auseinandersetzung mit Dingen der mittelbaren und unmittelbaren Vergangenheit, bis hin zu seinem Steckenpferd der Archäologie, prägt seine aktuellsten Arbeiten. Durch eine gewisse atmosphärische Tiefenwirkung der übereinanderliegenden Farbschichten, erreicht der Künstler eine rein formale räumliche Ebene auf der Leinwand, durch das Zitieren von Versatzstücken der Kulturgeschichte, darüber hinaus auch assoziative, zeitliche Räume für den Betrachter. Er selbst bezeichnet das Interesse an den handwerklichen Dingen der Vergangenheit, als eine Möglichkeit, diese in die Gegenwart zu retten. So sammelt und restauriert er behutsam alte Möbel oder auch Gebrauchsgegenstände aus der Zeit der Wiener Werkstätte oder den 50er Jahren. Er schätzt das dekorative Element der Möbel, formschönes Design, wie gute handwerkliche Arbeit. Interieurs barocker Palais und bürgerlicher Wohnungen des späten 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts, welche Repräsentationsflächen für ihre Besitzer waren und die avantgardistische Haltung des gehobenen Bürgertums in der Zeit der Wiener Werkstätten veranschaulichten, werden in der Folge zum Schwerpunkt in den Bildräumen des Malers. Sie lösen den Werkzyklus der 1990er Jahre ab, wenngleich inhaltlich eine gewisse Kontinuität besteht.

Die Räume und ihre Inneneinrichtungen vermitteln neben der Veranschaulichung eines zeithistorischen Interieurstils, auch die Aura einer Geschichte und bilden ein Schaufenster in eine Zeit, als diese Räume belebt waren, die Kommoden benutzt wurden und auf den Sesseln und Tischen kommuniziert und diskutiert wurde. So tritt in den Bildern, anstelle grafisch – linear skizzierten ornamentaler Versatzstücke, die Darstellung gesamter Innenräume und Interieurs, die den Betrachter gleichsam zu einer Zeitreise einladen. Auch wenn diese Bilder ihren Ausgangspunkt in realen Vorlagen haben, so geht es dem Künstler nicht um eine dokumentarische Wiedergabe jener, durch historische Fotoaufnahmen überlieferten, Innenräume. Diese dienen letztlich nur als Ausgangspunkt, als Stimulus für die Malerei, die vielmehr ihren Focus auf die, durch die Räume vermittelte, Atmosphäre legt. Darüber hinaus ist die Fotografie auch Anlass formale Möglichkeiten der Malerei auszuloten, wie die Spiegelung im Raum, die Frage nach Linienduktus und rein malerischen Farbauftrag und nicht zuletzt, das Arbeiten mit einer bewusst reduzierten Farbpalette.

Das Zurückgreifen auf fotografische Vorlagen verbindet den 1953 in Wien geborenen Künstler mit der Malerei der jungen zeitgenössischen Generation. Diese hat unbelastet von historischen Vorgaben, die Malerei als zeitgemäßes und brauchbares Ausdrucksmittel ihrer Inhalte wieder verstärkt für sich entdeckt. Befreit von der ideologischen Prämisse von Abstraktion und Figuration, übernehmen sie tradierte Formen und unterziehen sie einer zeitgenössischen Transformation. In dieser vor allem stark figurativen Malerei werden Video, Film und Fotografie, wie auch Bilder aus Magazinen zum Ausgangspunkt malerischer Überlegungen. Das Werk von Richard Jurtitsch steht dadurch im Spannungsfeld der Kontinuität, einer aus den 1980er kommenden malerischen Tradition (seiner Generation) und einer Präsenz des Tafelbildes innerhalb der zeitgenössischen Malerei. Doch verwendet Richard Jurtitsch vorwiegend Bildmaterial aus einer vergangenen Zeitzeugenschaft. Seine fotografischen Vorlagen entstammen nicht der unmittelbaren Gegenwart, sondern jener Zeit, in der Leben und Alltag in diesen Räumen herrschte. Zuweilen dienen ihm auch Fotodokumentationen und Inventarlisten von Wohnungen, die während des Krieges zur Identifizierung des Eigentums angefertigt wurden, als Vorlage. Ebenso wie Mappenwerke aus dem bekannten Anton Schroll & Co Verlag, in dem Innenräume von österreichischen Schlössern und Palästen fotografisch dokumentiert wurden. Gerade diese Prunkräume reizten den Künstler, vor allem die Wiedergabe der handwerklich aufwendig gefertigten Holzvertäfelungen und das üppige kunsttischlerische Handwerk. Hauptsächlich beschäftigt Richard Jurtitsch die Aura des damaligen Zeitgeschehens und die Frage danach, was sich hier abgespielt haben könnte, wer in diesen Räumen zu Gast war? So entstehen fiktive und reale Szenerien. Durch die Interpretation der Fotos holt Richard Jurtitsch diese zum Teil privaten Räume in die Gegenwart und präsentiert sie einem öffentlichen Blick.
Die Themen seiner Malerei halten dabei an dem grundsätzlichen Interesse fest, Fragmente der Wirklichkeit aufzunehmen. Der englische Soziologe Zygmunt Bauman beschrieb unser Lebensgefühl mit dem Terminus „liquid modernity“ (flüchtige Moderne) und meinte damit das Flüchtige, Ephemere, das folgenlos und rasante Vorübergehen von Ereignissen bzw. dem Alltäglichen. Gerade hier setzt Richard Jurtitisch an, in dem er uns in seinen Bildern die Möglichkeit gibt, eine Zeit zu überspringen und darüber nachzudenken, ob nicht doch auch unsere Identität durch ein Davor und ein Danach geprägt ist. Was bleibt von all unseren Denkprozessen, von unseren Bildern, von unserer Literatur oder auch von unseren wissenschaftlichen Arbeiten? Wieviel Anteil hat der Einzelne daran?

In seiner neuen Werkserie schließt Richard Jurtitsch sowohl formal, als auch inhaltlich, an seine Interieurbilder an. War man zu Gast in musealen Räumen, so holt er diese nun aus der Anonymität und verbindet sie mit realen Personen aus der Vergangenheit. So zeigt ein Bild einen Einblick in die Räume der Sängerin Selma Kurz, die zunächst protegiert von den Fürsten Esterházy in Wien Gesang studierte und nach Engagements in Hamburg und Frankfurt von Gustav Mahler 1899 an die Wiener Hofoper geholt wurde. Die Serie der Berliner Interieurs porträtiert Wohnungen in Berlin lebender Künstler, vorwiegend Literaten und Kunstsammler. Nach einem Filmstill entsteht das auch formal interessante Bild des Foyers und Stiegenhauses im Haus des amerikanischen Fotografen Alfred Stieglitz.

Ein weiteres Bild zitiert die Formensprache des amerikanischen Fotografen Irving Penn, der in Amerika der Nachkriegszeit als Mode- und Portraitfotograf berühmt wurde. Seit den 1940er Jahren fotografierte dieser für die Vogue, und wurde vor allem durch seine Portraits u. a. von Pablo Picasso, Miles Davis, Georgia O’Keefe, Marcel Duchamp u. a. international bekannt. Verheiratet war Irving Penn mit dem Mannequin Lisa Fonssagrives. Diese stand ihrem Mann auch oft Modell und war bekannt für ihre markante laszive Pose, die Richard Jurtitsch auch in seinem Bild übernimmt.

Richard Jurtitsch’ Bilder sind Portraits von Räumen und Personen. Sie liefern uns keine Information über das Aussehen der Menschen die in diesen Räumen gelebt haben, sondern viel mehr wie sie gelebt haben. Wir erfahren etwas über die Dinge, mit denen sie sich umgaben. Der Atem des Künstlers, den Piero Manzoni in einem Luftballon konservierte, übersetzt Richard Jurtitsch im Sinne einer Aura und Atmosphäre, die sich in diesen Räumen durch das Wirken ihrer Bewohner in den Bildern wiederspiegelt. Werkserien, wie „Zu Gast bei Karl Kraus“ zeigen, dass es für Richard Jurtitsch wesentlich ist, mehrere Informationsebenen zu verschränken. Neben der fotografischen Vorlage des Arbeitszimmers, übernimmt er Zitate aus Essays und Schriften sowie aus der von Karl Krauss herausgegebenen Zeitschrift „Die Fackel“, oder eines der Titelblätter und schafft solcherart eine neue Szenerie und einen fiktiven Einblick in das Leben von Karl Kraus. Es geht ihm nicht um die Darstellung einer realen Biographie des jeweiligen Menschen, vielmehr sind diese Platzhalter für einen historischen Zeitabschnitt, einer Epoche.
Doch neben all diesen Aspekten, stehen seine Bilder auch im Spannungsfeld zwischen Selbstbehauptung der Malerei, als eine für sich stehende abstrakte Realität, und den vielfältigen Bezugsmöglichkeiten für den Betrachter. Die Reduktion der Palette erscheint auf den ersten Blick radikal, erfolgt jedoch innerhalb seines Werkes in einer stetigen Entwicklung. Es ist ein formaler Anspruch an sich selbst, mit einer einzigen Farbe und ihren Nuancen einen tiefenräumlichen Eindruck darzustellen. Der lineare Duktus wird stetig reduziert und letztlich zur Gänze durch die Technik der Weißhöhung ersetzt. Die Gegenstände erhalten ihre äußere Form durch das Zueinandersetzen von Farbflächen und dem Kontrast von Hell und Dunkel. Zugleich erreicht der Künstler durch die Beschränkung auf eine Farbe eine Beruhigung innerhalb der, durch viele Ebenen und Details, zusammengesetzten Malerei. Zudem erschließt sich aus den vielen Übermalungen lasierender Farbschichten ein breites Farbspektrum von Rot über Rot – Grün bis hin zu Orange. In anderen Arbeiten variiert Richard Jurtitsch und malt Räume in den verschiedenen Nuancen der Farbe Blau.

So sind die Bilder formal in mehrfacher Hinsicht interessant, sie zeigen, wie der Künstler sich innerhalb einer Werkserie, mit den der Malerei immanenten Fragestellungen und den damit verbundenen Möglichkeiten einer räumlichen Darstellung, befasst. Richard Jurtitsch arbeitet dabei vor allem mit Überblendungen und Spiegelungen mehrerer Raumebenen. So gibt es in seinen Bildern, neben der Auseinandersetzung mit dem Motiv, stets noch eine weitere, selbstreflexive Ebene, jene der Malerei selbst, die von der figurativen Darstellung zu ganz abstrakten Dingen wie Farbe, Licht und Raum führt. Der vom Künstler stets bewusst gewählte Ausschnitt einer räumlichen Situation, lässt seine Interieurs lebendig wirken, als wäre gerade der Bewohner für einen kurzen Augenblick aus dem Zimmer gegangen . Details, wie eine Vase, ein Tischtuch, eine offene Tür, ermöglichen den Betrachter für einen kurzen Augenblick in eine andere Zeit einzutauchen.

„In meiner Arbeit artikuliere ich, dass Spiegelungen und Überblendungen von abstrakter und sozialer Realität und Illusion scheinbar ineinander aufgehen“, schrieb der Künstler zu seiner Malerei. Die Figuren und Interieurs von Richard Jurtitsch verharren wie Reste aus einem anderen Bezugssystem, setzen den schnell ablaufenden, medialen Bildern eine Atmosphäre der Dauerhaftigkeit entgegen. Sie bilden eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
„Ich schildere nicht das Beharrende ich schildere den Übergang“

« Je ne peints pas l’estre, je peints le passage »
– Michel de Montaigne

– Silvie Aigner

Darwinprinzip

Kunst ist ein Medium der Kommunikation, das die Zeit überdauert und nachhaltig über Generationen wirkt, wobei jeder Künstler individuelle Codes entwickelt. Das Risiko, nicht verstanden zu werden, zwingt ihn allerdings, seine persönliche Emblematik mit konventionellen Formen der ästhetischen Kommunikation abzustimmen. Das Wagnis, neue Symbol- und Stilformen zu schaffen, „muss jedoch immer wieder erfolgen, um auch die kulturelle Evolution des Sehens über ‚Mutation’ zu erweitern. Diese wird sich, wie jedes andere Phänomen, an der kulturellen Selektion zu bewähren haben.“

In Richard Jurtitsch’ Bild wird dies auf zweierlei Weise evident. Zum einen nämlich insofern als der hier dargestellte moderne und transparente Innenraum die Sicht freigibt auf die Fassade des gegenüberliegenden Hauses, das – wie anhand der Stuckelemente deutlich wird – aus einer anderen baugeschichtlichen, vermutlich klassizistischen Ära stammen dürfte. Auf der zweidimensionalen Bildfläche scheinen daher nicht nur Innen- und Außenraum miteinander zu verschmelzen, sondern auch die verschiedenen Baustile. Diese für die Kunst so unerlässliche Stilentwicklung führt uns Jurtitsch aber noch auf einer zweiten Ebene vor Augen, und zwar in Form einer imaginären Ausstellung, die in dem galerieartigen Innenraum drei als Inkunabeln ihrer jeweiligen Epoche geltende Meisterwerke der Kunstgeschichte vereint: Tizians „Ländliches Konzert“ (1511), Ingres’ „Badende“ (1808) und Duchamps „Akt, eine Treppe herabsteigend“ (1912), die im ästhetischen Sinn die oben angesprochene „Evolution des Sehens“ exemplarisch veranschaulichen.

Der als „Darwinprinzip“ betitelte Siebdruck, bei dem der Künstler eine Illustration aus der „British Entomology“ mit bekannten Firmenlogos bzw. Markennamen kombiniert hat, verweist darauf, dass Darwins Begriff der Evolution als Welterklärungsmodell auch in der Wirtschaft Niederschlag fand: Der Markt oder – in der Diktion des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter – der „schöpferische Unternehmer“ weckt Bedürfnisse, erzeugt Innovationen und treibt damit Wirtschaftswachstum und sozialen Wandel voran.

– Alexandra Schantl

Historische Spurensuche: Richard Jurtitsch

Jurtitsch’ Bilder laden den Besucher ein, sich von der Symbolhaftigkeit ihrer Formenwelt (ver)führen zu lassen. Bekannte Sujets der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte führen zu Aha-Erlebnissen, die die gewichtigen Titel der Bilder verstärken. Und trotzdem befinden wir uns in einem Neuland, wo Altes und Neues in einer neuen Symbiose zusammengefasst sind. Diese neu generierten Schnittmengen, die im vertrauten formalen „Kleid“ daherkommen, sind es, die eine Spannung und Frage beim Betrachter hinterlassen. Die in halber Transparenz übereinander lappenden Bildebenen verbinden das Gewesene mit der Gegenwart. Verschiedene (Zeit-)Räume greifen so ineinander über. Hier liegt der Kern von Jurtitsch’ Spurensuche und seines Sichtbarmachens des Gefundenen: unser gegenwärtiges Wissen baut auf dem vergangenen auf. Diese für uns unabdingbare Referenz ist es, welche die Bilder uns bewusstmachen. Sie lernen dem Vergangenen als Teil des Gegenwärtigen Wertschätzung entgegen zu bringen.

– Nana Pernod

Richard Jurtitsch – malerische Spiegel der Wirklichkeit

Richard Jurtitschs Gemälde fungieren als aufgeweichte Spiegel der gesehen Realität, sie sind keine reinen Dokumentationen sondern hybride Tableaus zwischen Fiktion und Abstraktion, Metaphern des Blicks auf die Welt.

Seit den frühen 2000er-Jahren macht sich ein deutlicher Hang zum Realismus breit, gespeichert vom fotografisch sachlichen Fokus auf das Visuelle. Wir tauchen in private Räume ein, im historischen Ambiente voller atmosphärischer Stimmung. Die Bilder aus dem Werkzyklus Zu Gast gewähren uns den Einblick ins Intime, Persönliche der feudalen Wohn-, Speise- und Arbeitszimmer von kulturellen Größen wie etwa Karl Kraus. Stets schwingt ein Gefühl der Verlassenheit, des Abschieds mit; keine darin lebende Personen – Situationen der Vergänglichkeit. Robert Longo hatte einen eigenen Werkblock zu Siegmund Freuds Ordination in der Berggasse geschaffen, mit schwarzem Kohlestift, auratisch beklemmende Interieur-Impressionen. Wie Longo fasst Jurtitsch seine Räume monochrom ein, feurig rot oder abgekühlt blau. Dadurch steigert der Künstler die Bildautonomie – der unifarbiger Einsatz als wesentlicher Aspekt der Abstraktion. Man denke an Rodtschenkos monochrome letzte Bilder von 1921, Ad Reinhardts Black Paintings oder Yves Kleins IKB-Blau. Eine adäquate Buntfarbigkeit im Sinne des fotografischen Ablichtens würde dem Bild seine autarke Natur und auch seinen zeitlosen Anspruch entziehen. Durch den Pinselzug stellt Jurtitsch automatisch auf den Weichmacher, anstelle der scharfen Darstellung von Stuhl, Tisch und Bücherregal: auch hier ein pro piktorialer malerischer Aspekt. Der Spiegel der Realität wird sanft aufgelöst ohne unsere Welt zu leugnen. Überhöht theatralisch fallen die Lichtkegel in die Zimmer ein, wodurch ein gewisser surreal-mystischer Zug intensiviert wird. Neben den durchwegs klar wiedergegebenen Zimmerbildern entstehen komplexere Versionen mit motivisch-räumlicher Überlappung. Das Fenster wird zur multiplizierten Projektionsfläche der gesehen Wirklichkeit. Manchmal fungiert dann die Leinwand als mentale Erinnerungsfläche – wie zum Beispiel im Zyklus Im Besitz von, auf der etwa ein Wohnzimmer mit Inventar mit einem Gemälde eines Alten Meisters verflochten wird. So nimmt die Rubens-Venus imaginär Platz auf dem Thonet-Sessel. Dieses kombinatorische System ist schon in Jurtitschs früheren abstrakt-ornamental-organischen Arbeiten aus den 1990er-Jahren anzutreffen. Der Künstler collagiert mit der Ölfarbe auf atmosphärisch pulsierenden Farbräumen unterschiedliche Motive – florale, geometrische Muster, organische Formen – zu einer freien Komposition. Auch in dem ein oder anderen aktuellen Werk organisiert der Künstler die Bildfläche als streumusterartiges All Over, wenn auch mit „naturalistischem“ Raumbezug. Es handelt sich um Blumensträucher und Schmetterlinge vor Mauern und Vorhängen im verführerischem Licht-Schattenspiel. Die Blüten changieren zwischen plastischer Realität, detaillierter Stofflichkeit und ornamentaler Zeichenhaftigkeit und Zweidimensionalität. Das Gemälde im weichen Pinselzug wird zur lyrischen Impression der Natur. In den rezenten Gestrüpp-Bildern erlebt das Lichtspiel eine intensive Steigerung. Die Sonnenstrahlen lösen förmlich den Gegenstand des Gestrüpps auf, zerlegen ihn in reine Licht- und Schattenflecken. Das Auge scheint überfordert zu sein – wie blinde Flecken auf der Retina. Die Vorhang-Fensterbilder, die der Maler in Miramare und Tuilno geschaffen hat, sind gleichsam Metaphern des Blicks; der Fensterrahmen definiert den abgebildeten Ausschnitt der Realität, wir schweifen in die Ferne, der Vorhang, verschleiert hingegen den ungetrübten Landschaftsblick, macht das Bild unscharf, malerisch, abstrakter. Trotz aller Klarheit und allem Detailreichtum von Geäst, Steinen, Wiese und Wasserspiegelungen stellt sich eine unheimlich melancholische Stimmung in Jurtitsch neuen Brückenbildern ein. Es sind verwunschene Orte, romantische Plätze aus einer längst vergangene Zeit mit Zauber und verborgenen Geheimnissen, die seine Malerei vor Augen führt. Jurtitschs Kunst bleibt somit stets ein Vexierbild zwischen Sichtbarem und Verhülltem, Rekonstruktion von Welt und freier Bilderfindung.

– Florian Steininger

Richard Jurtitsch – Zwischenräume
Das Motiv des Fensters zählt zu den klassischen Topoi früher Bildkonzeptionen. Die rahmende Funktion des Fensters schafft dabei einen Ausschnitt, der nicht als willkürliches Fragment erscheint, sondern den Blick hinaus mit der Sicht auf das vertraute Innen verbindet. Das Fenster produziert in diesem Sinne überhaupt erst den Gegensatz von Interieur und Exterieur. Durch das Außen, das durch das Fenster sichtbar ist, konstituiert sich der Innenraum, umgekehrt wird das Außen als etwas von dem Interieur Unterschiedenes wahrnehmbar. Man kann sich von der Umgebung abgrenzen und Einblicke durch Vorhänge verhindern. Je offener der Ausblick, desto größer ist auch der Möglichkeit von außen hineinzublicken. So gesehen tritt auch die Thematik einer Sichtbarmachung des Privaten stets als Sujet ins Bild. Richard Jurtitsch greift in einer Reihe von Arbeiten, die seit 2010 entsteht das Motiv des Fensters in dieser kunsthistorischen Tradition des finestra aperta auf. Die Arbeiten entstehen fast immer in Bezug auf konkrete Orte, deren visuelles Potenzial sie transformieren, indem sie reale Wahrnehmungen in die Malerei übersetzen. Der Vorhang gibt dem Bild einen Rahmen und gibt einen bestimmten Blickwinkel vor. Er deutet die Möglichkeit des Blicks nach außen an, macht diese jedoch wieder zunichte. Manche Fenster werden fast vollständig vom Vorhang verdeckt, bei manchen erscheint der Ausblick auf die Landschaft als dünner Streifen am oberen Bildrand (Aussee I, 2011). So weckt das Fenster das Versprechen auf einen Ausblick ohne ihn jedoch zu erfüllen. Das Fenster – an sich ein klassisches Sehnsuchtsmotiv – verweigert wie von einem undurchsichtigen Vorhang verdeckt den Blickkontakt mit der Außenwelt und wirft den Betrachter auf sich selbst und seine Imagination zurück.
Man sieht die Stadt oder den Ort aus einer Perspektive, die vertraut scheint und sich doch mit jeder subtilen Veränderung durch den gewählten Ausschnitt im Bild als vollkommen anders erweist. Unterschiedliche Helligkeiten durch teilweise von Jalousien oder Vorhänge abgedunkelte Fenster spielen dabei ebenso eine Rolle wie der zuweilen offene, oder aber vom gegenüber liegenden Gebäuden verstellte Blick auf die Umgebung. Dass es einen Raum hinter dem Bild gibt, wird einem spätestens dann bewusst, wenn die geschlossene Illusion durch die geschickte Bildkonzeption des Malers durch Spiegelungen oder Schattenrisse durchbrochen wird. Richard Jurtitsch spielt in diesen Arbeiten, die ab 2010 entstehen, erneut mit den Facetten des Bühnenhaften und Theatralischen und dem Verhältnis von Betrachter und Raum an der Schnittstelle von Realität und Illusion. Der Vorhang hat die Funktion, einen Übergang zu markieren, er verschleiert zuweilen die Landschaft die im Fensterausblick zu sehen ist. Im Spiel mit Licht und Unschärfe lassen sie das Außen sanft verschwimmen. Ein Kunstgriff des Malers um die tatsächlich gesehene Realität, die das Vorbild der Vorhangbilder liefert, der eventuellen Banalität der Wirklichkeit und vor allem auch einer Zeitlichkeit zu entrücken. Durch das Verschleiern wird die Landschaft diffus. Sie wird zum Display einer Imagination und einer Wunsch-vorstellung des Idyllischen in der keine zeitlichen oder räumlichen Schranken existieren. Motive wie die Blumentöpfe und Vasen am Fenster mit einem Ausblick auf die Hausfassade gegenüber (Neustift, 2011), lassen die Interieurs der Räume erahnen. Sie zeigen einerseits die Enge des Ausblicks wie sie anderseits auf die Präsenz jener Personen verweisen, die in diesen Räumen leben. Obwohl nicht sichtbar, wird ihre Dasein bewusst – und ein narrativer wenngleich auch fiktiver Erzählstrang in Gang gesetzt. In den Bildern entwickelt sich ein narrativen Raum, in der nicht das Figurative sondern durch das Modulieren von Licht und Schatten, eine Atmosphäre entsteht, welche die Stimmung bestimmt. In einer Reihe von Bildtafeln wird die zuweilen nahezu fotorealistische Bildschärfe (Glocknerhof, 2011) aufgehoben. Mit großer Könnerschaft für die Darstellung des Stofflichen setzt Richard Jurtitsch Pflanzen, Schattenwürfe und die Reflexion des Sonnenlichtes am Faltenwurf der transparenten Vorhänge ins Bild. Wenn die Dinge nur als Schatten erkennbar sind und Teile von Blumen durch die Vorhänge verdeckt sind, schiebt sich eine Form von Unschärfe ins Bild, die weiter reicht als das aktuell Sichtbare. (Aussee II, III, 2011) Bilder, in der die Bewegung des sich im Wind wiegenden Vorhanges spürbar ist und die obwohl aus der Beobachtung generiert, wie eine inszenierte Sequenz erscheinen. Der Maßstab verändert sich, und die Frage, was echt ist und was nicht, bleibt einen Moment lang in der Schwebe. Doch ist es gerade die scheinbare Inszenierung die den Blick auf die Wirklichkeit schärft, weil sie den einfachen Zugriff auf das Bekannte verweigert. Die Menschen spielen in diesen Bildern, die sich vom Spiel mit klaren Schlagschatten bis hin zu engeren Ausschnitten, in denen Vorhang und Pflanzen sich in der Abstraktion verlieren, stets nur als Abwesende eine Rolle.
Der Blick des Malers, der sich auf das Alltägliche richtet oder auf das an diversen Aufenthaltsorten Gesehene, ist jedoch – auch bei aller Genauigkeit der bildlichen Umsetzung – nie ein dokumentarischer, sondern immer durchsetzt von dem Wissen um die vielen anderen Möglichkeiten einer Wirklichkeitsaneignung und letztlich dadurch auch eine Interpretation.
Zugleich mit der Beschäftigung mit dem Motiv der Vorhänge oder Jalousien ist eine Reduktion der Farbigkeit in den Bildern zu beobachten, die sich in den sogenannten „Brückenbildern“ fortsetzt. In diesen Werkserien spürt Richard Jurtitsch antiken Resten von aus Stein gebauten Brücken im Wiener Raum nach. Dabei gilt sein Interesse nicht dem Dokumentarischen, sondern der Brücke als Symbol des Verbindenden. Allein durch die Wahl des Motivs – der Ruinen einst römischer Baukunst – wird jedoch auch eine Zeitlichkeit im Bild deutlich. Durch das Überwuchern der Natur wird das zumeist mittig angesetzte Sujet zum romantischen Motiv, das nicht zufällig – wenngleich nicht formal – an die Stimmung der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts erinnert. Ebenso inszeniert ist auch eine gewisse Dramatik der Bildkonzeption durch das Spiel mit Licht und Schatten. Wenngleich der Künstler die Versatzstücke der historischen Baukunst auch als Platzhalter verwendet um formale Parameter des Bildes, wie Raum, Perspektive und Licht in der Bildtafel zu verhandeln, so bilden sie dennoch auch ein assoziatives Motiv in einer Gegenüberstellung von Vergangenheit und Gegenwart, dem stets auch etwas Rätselhaftes eigen ist. Doch neben diesen Aspekten, stehen seine Bilder auch in dem Spannungsfeld zwischen einer Selbstbehauptung der Malerei, als eine für sich stehende abstrakte Realität und der vielfältigen Bezugsmöglichkeiten für den Betrachter. Die Reduktion der Palette erscheint auf den ersten Blick radikal, erfolgte jedoch innerhalb seines Werkes in einer stetigen Entwicklung. Es ist ein formaler Anspruch an sich selbst, so der Künstler mit einer einzigen Farbe und ihren Nuancen einen tiefenräumlichen Eindruck darzustellen. Der Fokus ist nicht das Abbildhafte, Illustrative. Weit mehr steht die Setzung der Farben im Vordergrund. Trotz dem aus der Realität entnommen Motiv, entwickelt Richard Jurtitsch auf der Leinwand eine eigene Welt, die versucht die formalen Möglichkeiten des Mediums auszuloten, die den Betrachter zuweilen tief in den Bildraum hineinführen. Die Farben werden von lasierend bis zu opak eingesetzt, doch nie dominert ein schweres Farbimpasto. Vielmehr diffundieren die übereinander gelegten Schichten ineinander und ergeben neue Farbnuancen, die sich aus den Interferenzen der Überlagerungen entwickeln. Die Frage nach Zeit und Bewegung ist seinen Bildern durch das Übereinander-schichten der einzelnen Farbstrukturen immanent. Es ist ein langsam schwingender Rhythmus der die Bilder von Richard Jurtitsch prägt in ein gelungenes Zusammenspiel von Farbe, Form und Motiv.
Silvie Aigner

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